QUALITÄT AUS TRADITION

Das Kaffeehaus oben in der Stadt ist ein zufälliges Überbleibsel. Ein kleiner Conditoreibetrieb, der in 130 Jahren nie an eine zweite Generation übergeben wurde. Während es kaum noch ähnliche Betriebe in Deutschland gibt, hat dieser überdauert. Ein Relikt.

Wir wollen den Betrieb mittels handwerklicher Tugenden fortführen. Bodenständigkeit und das Aufgreifen neuer Impulse sorgen für einen gleichmäßigen Herzschlag.

 

Gott schütze das ehrbare Handwerk!

Historische Daten und Fakten

UM 1800

40 % des europäischen Rübenzuckers werden im Kaiserreich produziert. Süße Produkte erreichen breitere Bevölkerungsschichten.

1888

Wilhelm der ll. wird Deutscher Kaiser.

1890

Bäckermeister Carl Schulte baut das Wohn- und Geschäftshaus in der damals besten Lage: am Verkehrsknotenpunkt Hochstraße 1A. Gegenüber beginnt die Wilhelmstraße und mündet am anderen Ende auf den Wilhelmplatz, auf dem erst ein Jahr zuvor das Kaiserdenkmal aufgestellt wurde. Am Anfang des Jahrhunderts hatte Lüdenscheid nichtmal ein Straßenpflaster. Bismarck tritt vom Amt des Reichskanzlers zurück. Kaffeehäuser sind en vogue.

1900

Lüdenscheid schlägt eine unerwartete Entwicklung ein. Die Bevölkerung hat sich in 50 Jahren verfünffacht. Industrie und Handwerk blühen. Das junge und moderne Conditorenhandwerk liegt in der Entwicklung mit anderen Handwerken in der Bergstadt gleichauf. Conditoreien und Kaffeehäuser gehören zum Stadtbild.

1903

Die erste reine Conditoreninnung wird in Berlin gegründet.

1914

Ausbruch des l. Weltkriegs. Schon vor der Rohstoffknappheit brechen die Geschäfte der Conditoren massiv ein. Der Feldpostversand verbessert die Situation durch Lüdenscheider die Ihre Angehörigen an der Front mit Conditoreierzeugnissen aus der Heimat versorgen.

1915

Conditormeister Adolf Reininghaus kauft im Fronturlaub das Haus. Nach der Gründung 1910 im Souterrain der Loher Straße 1 zieht der Betrieb zwei Häuser weiter in die Hochstraße 1A. Seine Schwester und seine Mutter führen die Geschäfte. Die Rohstoffe verteuern sich erheblich. Es muss teils mit Ersatzstoffen gearbeitet werden.

1918

Der l. Weltkrieg endet. Adolf Reininghaus hat in der Feldbäckerei überlebt. Er kehrt zurück und nimmt zielstrebig die Arbeit auf. Man erwirkt nach Streit mit dem Gewerbeamt die Lizenz Alkohol auszuschenken. Ein wichtiges Argument für die Geschäftsleute der Industriestadt um einzukehren. In einem Brief an das Gewerbeamt zeigt Reininghaus mit dem Finger auf einen zugezogenen Conditor in der "Unterstadt. Dieser hat bereits eine Lizenz erhalten.

1924

Adolf Reininghaus beauftragt den bekannten Architekten Robert Lamm. Die goldenen Zwanziger schüren Hoffnungen auf bessere Zeiten.

1925

Die Fassade, Laden und Gastraum werden umgebaut und neu gestaltet. Es wird angebaut, um eine geräumige Backstube, Mehllager und Weinkeller zu schaffen. Die Wirtschaftsküche wird in das Obergeschoss verlegt und mit dem Laden durch einen Tablettaufzug verbunden. Platz für eine Eisküche im Ladenbereich entsteht. Im Hausflur steht eine Telefonzelle. Im ersten Geschoss sollen in den kommenden Jahren weitere Gasträume entstehen.

1929

Beginn der Weltwirtschaftskrise. Industrie und Handel ächzen. Privatpersonen trifft Not und Elend. Das Geschäft bricht ein. Reininghaus leiht Geld beim Innungskollegen Kersting.

1939

Der II. Weltkrieg bricht aus.

1945

Der ll. Weltkrieg endet. Die Arbeit in deutschen Conditoreien ist praktisch zum Erliegen gekommen. Erst später, mit heimkehrenden Fachleuten und wieder verfügbaren Rohstoffen, kann der Betrieb aufgenommen werden. Wilhelm Reininghaus, Conditor und Sohn von Adolf Reininghaus kommt aus dem Krieg, verstirbt jedoch bevor er den Betrieb übernehmen kann.

1953

Adolf Reininghaus verkauft das Haus an Hubert Berg und stirbt 7 Jahre später. Berg zieht aus dem nahegelegenen, sogenannten Inselcafé an die erste Adresse.

1966

Hubert Berg übergibt den Betrieb an Konditormeister Karl-Heinz Korte. Dieser führt das Geschäft zunächst weiter als „Café Berg“.

1986

1986 verlässt Korte den Standort und es folgen wechselnde Betreiber.

2008

Die Finanzkrise trübt die Wirtschaft.

2009

Nach Wanderjahren in Deutschland und der Schweiz und der erfolgreichen Meisterprüfung pachtet Conditormeister Norman Weßling den Betrieb. Die Räume sind in schlechter Verfassung. Der Betrieb wird renoviert und wieder funktional eingerichtet.

2011

Das Kaffeehaus erhält mit dem „Kaffeegarten“ erstmals eine Aussenanlage.

2013

Der Vartaführer zählt das Kaffeehaus zu den 20 schönsten Cafés in Deutschland.

2015

Wie Reininghaus bereits in den 20er-Jahren plante, erfolgt der Umbau der Beletage für die Gäste mit 100 Jahren Verzögerung...

2017

Norman Weßling kauft das Gebäude von Bergs Tochter. Nach 45 Jahren ist der Betreiber erstmals auch wieder Eigentümer.

2020

Corona-Verordnungen schränken den Betrieb ein, während der Arbeitskräftemangel schon lange den Alltag beherrscht. Jede dritte Stelle im Deutschen Handwerk bleibt unbesetzt. Das Conditorenhandwerk ist ungleich schwerer betroffen und erlischt zusehends. Das Kaffeehaus oben in der Stadt ist der letzte verbliebene Conditoreibetrieb in Lüdenscheid. Conditormeister Weßling ist die meiste Zeit alleinige Arbeitskraft im Betrieb. Das erfordert Phantasie.